Festlegung von Grundsätzen für die digitale Wirtschaft: Einrichtung eines G7-Daten- und Technologieforums

29. März 2021 | Zürich | Von Juliane Schmitz-Engels

Die digitale Revolution verändert die Weltwirtschaft in rasantem Tempo und schafft Vorteile und Chancen, aber auch Risiken und Herausforderungen. In diesem Rahmen hat Mastercard zusammen mit über 20 weiteren globalen Unternehmen* ihre Unterstützung für eine neue Digital-Governance-Initiative angekündigt. Sie schlagen die Gründung eines Daten- und Technologieforums im Rahmen der G7 vor, um die Bemühungen zur Verbesserung der internationalen Governance der digitalen Wirtschaft zu koordinieren. Mastercard erachtet diesen Schritt als sinnvoll, um eine digitale Wirtschaft zu gestalten, an der alle teilhaben können.

Als Vertreter von Unternehmen, die ihren Hauptsitz in verschiedenen Ländern haben und die in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen agieren, fordern wir die G7 dazu auf, ein neues Forum einzurichten, um die Kernprinzipien gemeinsam zu diskutieren, die unsere Anstrengungen zur Verbesserung der Governance in einer digitalen Welt leiten sollen.

Neue Technologien und Systeme – wie autonome Fahrzeuge, künstliche Intelligenz, Quantencomputer, Robotik, 5G und das „Internet der Dinge“ – versprechen Produktivitäts- und Wachstumssteigerungen in nahezu allen Wirtschaftsbereichen sowie eine Verbesserung der Lebensqualität und unseres Alltags.

Die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung der Weltwirtschaft birgt durch neue Technologien jedoch auch neue operative Risiken, wie z.B. Hackerangriffe, Datenschutzverletzungen sowie regulatorische Risiken durch unzureichende, unzulänglich konzipierte oder uneinheitliche, rechtliche Rahmenbedingungen. Sie berühren auch gesellschaftliche Fragestellungen, wie die Frage nach Datenschutz, fairem Wettbewerb und Algorithmic Bias.

Die COVID-19 Pandemie beschleunigt diese Chancen und Risiken. Die digitale Technologie erleichtert Tests, Kontaktverfolgung, Diagnostik und die Entwicklung von Impfstoffen. Sie ermöglicht das Arbeiten und Lernen aus der Ferne, digitale Transaktionen für den Kauf von Waren und Dienstleistungen sowie die soziale Teilhabe auf Distanz. Gleichzeitig hat diese stärkere Abhängigkeit von der digitalen Technologie deutlich gemacht, wie wichtig es ist, die damit zusammenhängenden öffentlichen Belange kohärent anzugehen.

Als Reaktion auf diese Entwicklungen, greifen manche Regierungen zu schnellen Regulierungen, oft ohne das ganze Bild zu kennen oder die Öffentlichkeit zu beteiligen oder sich mit anderen Regierungen abzustimmen. Die Schadenswirkung dieser fragmentierten Regelungswerke geht über Innovationshemmnise hinaus –

 sie stellt eine Gefahr für digital getriebene Volkswirtschaften dar, wenn es keinen Modus für die effektive Zusammenarbeit gibt, um Risiken ganzheitlich zu bewerten und zu managen.

Empfehlung für Richtlinien

Die Einrichtung eines sicheren, vertrauenswürdigen, widerstandsfähigen und angemessen regulierten digitalen Ökosystems ist entscheidend für die Zukunft der globalen Wirtschaft. So wie die führenden Volkswirtschaften der Welt als Reaktion auf die globale Finanzkrise 2007-2008 das Financial Stability Board (FSB) gegründet haben, um Schwachstellen im globalen Finanzsystem zu identifizieren und zu beheben und eine kohärente Politikgestaltung über Ländergrenzen hinweg zu fördern, ist ein ähnliches Forum für die digitale Wirtschaft dringend erforderlich. Wir glauben, dass die Regierungen der G7-Staaten die Führung übernehmen und jetzt handeln sollten, um ein Daten- und Technologieforum (das "Forum") zu gründen, um die internationale Koordination und Kooperation bei der Bewertung von Risiken und der Entwicklung von Lösungen für technologiebezogene öffentliche Interessen zu stärken.

Das Forum soll keine supranationale Regulierungsbehörde sein. Stattdessen würde es, wie das FSB, eine Plattform für die Mitgliedsregierungen bieten, um die Politik in der gesamten Bandbreite digitaler und technologiebezogener Governance-Themen zu diskutieren und zu koordinieren und, wo möglich, überlappende, inkongruente oder widersprüchliche Massnahmen zu harmonisieren. Das Forum würde versuchen, die Konsultation und Zusammenarbeit zwischen nationalen politischen Entscheidungsträgern und Regulierungsbehörden zu verbessern. Es würde einen Konsens über politische Prinzipien, regulatorische Ansätze, Standards, Kooperationsvereinbarungen und Rahmenwerke fördern. Das Ziel des Forums wäre es, regulatorische und politische Kohärenz, Datenkonnektivität und kommerzielle Zusammenarbeit zu erleichtern. Die nationalen Regierungen wären natürlich weiterhin allein für die Gestaltung und Umsetzung der Politik in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich verantwortlich.

Vorgeschlagene Struktur und Aktivitäten des Forums

Das Forum würde Arbeitsgruppen in Schlüsselbereichen wie Cybersicherheit, Künstliche Intelligenz, grenzüberschreitende Datenverkehr und damit zusammenhängende Datenschutzfragen moderieren und beauftragen. So wie das FSB auf die Arbeit bestehender internationaler Standardisierungsgremien im Bereich der Finanzregulierung zurückgreift, könnte das Forum auf die Arbeit von Organisationen wie der OECD, der APEC und der WTO sowie auf technische Standardisierungsgremien zurückgreifen. Dort, wo die Arbeit in anderen internationalen Gremien bereits weit fortgeschritten ist, wie zum Beispiel in den Arbeitsgruppen des FSB zu digitalen Fragen im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen, würde das Forum über Konsultationsmechanismen verfügen, um Überschneidungen oder Divergenzen zu vermeiden.

Das Forum würde den Regierungen auch die Möglichkeit bieten, politische Angelegenheiten, die die digitale Wirtschaft betreffen, aus einer horizontalen, branchenübergreifenden Perspektive zu betrachten. Durch das Forum würden die Regierungen die regulatorische Koordination, Kooperation und Kohärenz durch iterative Prozesse verfolgen. Wie das FSB würde das Forum Arbeitsgruppen beauftragen, erfassen und beaufsichtigen, die von nationalen Vertretern zu politisch relevanten Aspekten des digitalen Ökosystems geleitet werden. Dies würde es den nationalen politischen Entscheidungsträgern ermöglichen, sich auszutauschen und ein gemeinsames Verständnis für die wichtigsten Fragen zu entwickeln, die sich aus der Anwendung bestimmter Technologien ergeben. Das Forum könnte dann – durch politische und regulatorische Dialoge und Arbeitsgruppen – einen Konsens über gemeinsame Ziele und Prinzipien zur Bewältigung von Risiken und Förderung von Chancen anstreben, mit Blick auf Interoperabilität und Harmonisierung mit bestehenden Rahmenwerken und Vorschriften.

Der Grad der regulatorischen Angleichung kann je nach behandeltem Thema durchaus unterschiedlich sein. Selbst dort, wo einige politische Differenzen derzeit unüberwindbar erscheinen, würde das Forum in vorteilhafter Weise als Ort des regelmässigen Informationsaustauschs und Dialogs dienen und einen Rahmen bieten, um solche Divergenzen nach Möglichkeit zu beseitigen. Bei Themen wie dem grenzüberschreitenden Datenverkehr, bei denen die Länder möglicherweise unterschiedliche Ansichten teilen, wäre es das Ziel, die Kohärenz durch Ansätze wie der APEC Cross Border Privacy Rules zu untersuchen und zu fördern, die interoperable Systeme erleichtern. Wenn Regierungen der Ansicht sind, dass politische oder regulatorische Massnahmen verfrüht oder unnötig sind, könnten sie Informationen und Ansichten über die Auswirkungen auf ihre Märkte austauschen.

Die Einrichtung einer formalisierten Plattform für die multilaterale Zusammenarbeit könnte auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die digitale Wirtschaft stärken, was für ihr weiteres Wachstum unerlässlich ist. Bei Themen, bei denen die Regierungen einen Konsens über regulatorische Prinzipien oder Standards erzielen, könnte die nationale Umsetzung dieser Prinzipien oder Standards den grenzüberschreitenden Marktzugang oder Interoperabilitätsregelungen durch regulatorische Präferenzentscheidungen oder andere gemeinsam vereinbarte Verfahren erleichtern. Um das Vertrauen zu stärken, sollte das Forum den Nutzen unabhängiger Verifizierungs- oder Zertifizierungsmechanismen sowie Peer-Review-Prozesse untersuchen, die die Umsetzung von Standards, die in internationalen Gremien im Rahmen von durch das Forum koordinierten Arbeitsabläufen entwickelt wurden, validiert werden – sowohl durch private Akteure, als auch durch Regierungen.

Zur Unterstützung seiner Arbeit sollte das Forum Mechanismen für eine regelmässige und breit angelegte Beteiligung des Privatsektors einrichten. Dies würde sicherstellen, dass die aktuellsten Entwicklungen und praktischen Auswirkungen in den Diskussionen des Forums berücksichtigt werden. Im Laufe der Zeit sollte das Forum zum Beispiel die Einrichtung ständiger Ausschüsse des Privatsektors zu bestimmten Themen in Erwägung ziehen.

Die nächsten Schritte

Wir sind bereit, mit den Regierungen zusammenzuarbeiten, um Handel, Innovation, integratives Wachstum und Entwicklung durch eine starke und sichere digitale Wirtschaft zu fördern. Wir sind der Auffassung, dass die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten auf ihrem nächsten Gipfeltreffen die Einrichtung des Forums vereinbaren sollten, um mit der Arbeit an Themen zu beginnen, bei denen es derzeit erhebliche politische und regulatorische Aktivitäten gibt, darunter die folgenden:

  • Zusammenarbeit bei der Cybersicherheit. Das Forum sollte die bestehenden Arbeitsgruppen zur Cybersicherheit beaufsichtigen, um die Koordination sicherzustellen und kohärente, effektive politische und regulatorische Ansätze zu ermöglichen. Die Mitglieder des Forums könnten ausserdem offizielle Stellen, die sich mit Cybersicherheit befassen, damit beauftragen, sich mit neuen Themen wie vertrauenswürdigen Netzwerken und anderen Fragen zu befassen, die für die Förderung sicherer, widerstandsfähiger, kompatibler und stabiler politischer Rahmenbedingungen entscheidend sind.
  • Regulierung des grenzüberschreitenden Datenverkehrs. Das Forum sollte sich bei bereits bestehenden Organisationen, wie zum Beispiel der WTO, für eine Einigung über neu entstehende Regelungen zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Datenverkehrs einsetzen, da diese für das Funktionieren der digitalen Wirtschaft unerlässlich sind. Gleichzeitig sollte das Forum nach Wegen suchen, um mit abweichenden Ansichten und Ansätzen umzugehen, die sich aus den politischen Präferenzen, der Risikobereitschaft und den wirtschaftlichen Interessen der verschiedenen Rechtsordnungen ergeben.
  • Angleichung von Rahmenbedingungen für Künstliche Intelligenz (KI). Eine Reihe von Ländern hat gemeinsam freiwillige KI-Prinzipien entwickelt und unterstützt, während sie gleichzeitig eine Regulierung von KI, auch nach Sektoren oder Anwendungsbereichen, in Betracht ziehen. Das Forum sollte Arbeitsgruppen zu KI koordinieren, um gemeinsame Ansätze auf der Grundlage gemeinsamer Prinzipien zu fördern.

 

* Aflac, Amgen, Applied Materials, Citi, Dell Technologies, Dow, ENGIE, EY, GM, GSK, IBM, Mercedes, NEC, Nexi, Nike, NTT, Qualcomm, Schneider Electric, Siemens, SoftBank Group, Toyota, UL, Visa und Zoom.

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Juliane Schmitz-Engels, Director, Communications Germany and Switzerland