Nachhaltigkeit

Bekämpfung des Klimawandels: Es braucht einen Wald

20. Oktober 2020

Die Priceless Planet Coalition hat sich verpflichtet, in den nächsten fünf Jahren 100 Millionen Bäume neu zu pflanzen. Waldexperten diskutieren, wie diese enorme Initiative Fuß fasst.

Bäume sind eine der größten Abwehrkräfte gegen den Klimawandel. Natürliche Lösungen wie das Wachstum von mehr Wäldern und die Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme könnten bis zu 37 % des CO2 absorbieren, das wir beseitigen müssen, um die globale Erwärmung zu stoppen. Wälder versorgen auch Hunderte Millionen von Menschen und schützen seltene Pflanzen und Tiere.

Über die Priceless Planet Coalition arbeitet Mastercard mit Händlern, Banken und Städten zusammen, um Verbraucher dazu zu bewegen, für die Wiederaufforstung von 100 Millionen Bäumen in den nächsten fünf Jahren zu spenden. Unter der Leitung von Forstwirtschaftsexperten zweier gemeinnütziger Umweltorganisationen, Conservation International (CI) und World Resources Institute (WRI), stellt die Initiative Landschaften wieder her, um den Klimawandel zu bekämpfen.

Aaron Minnick leitet für das WRI ein Programm namens TerraMatch, das Spender mit Wiederaufforstungsprojekten zusammenbringt, und Nikola Alexandre entwickelt Strategien für CI, um vor Ort Wiederaufforstungsstrategien in großem Maßstab umzusetzen. Wir sprachen mit ihnen darüber, wie sie dieses massive Wiederaufforstungsprojekt in Angriff nehmen.

Wie beginnt man mit der Wiederaufforstung von 100 Millionen Bäumen?

Alexandre: Wir treten für einen Wiederherstellungsansatz ein, der sich nicht auf die Bäume selbst konzentriert, sondern auf die ökologische Dynamik, die die Wälder gesund hält. Wir konzentrieren uns darauf, nicht nur Bäume zu pflanzen, sondern Wälder nachwachsen zu lassen. Und in diesem Zusammenhang gibt es verschiedene Arten von Techniken, die eingesetzt werden können, wie die Förderung des natürlichen Nachwachsens oder sogar die Kontrolle von Bränden als Wiederaufforstungstechnik, weil dadurch eine natürliche Entstehung ermöglicht wird.

Minnick: In beeinträchtigten Gebieten, in denen Bäume Schwierigkeiten haben, von selbst zurückzukehren, ist das aktive Anpflanzen einheimischer Bäume die beste Möglichkeit, um das Ökosystem anzukurbeln und die lokale biologische Vielfalt zu schützen. Und oft pflanzen lokale Bauern gerne nicht invasive exotische Bäume für ihre Früchte oder schnell wachsende Sorten für Brennstoff und zur Beschattung ihrer anderen Kulturen in nachhaltigen Agroforstsystemen.

Das Verständnis des lokalen Zusammenhangs und der Bedürfnisse ist der Schlüssel für jedes erfolgreiche Wiederaufforstungsprojekt. Wenn wir Bäume pflanzen, die von den Menschen gewollt werden, sehen sie diese als Investitionen, und dann wollen sie noch mehr pflanzen. Und wenn die Nachfrage nach Jungpflanzen steigt, können lokale Unternehmer, die Baumschulen besitzen, ihr Geschäft ausbauen und mehr Leute einstellen. Das wiederum kurbelt die gesamte ländliche Wirtschaft an.

Wie wird die Wiederaufforstung zur Begrenzung der Kohlendioxidemissionen beitragen?

Alexandre: Selbst wenn wir morgen den Ausstoß stoppen würden, müssten wir immer noch massive Mengen Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen, um den Klimawandel zu vermeiden und umzukehren. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die Wiederaufforstung der Wälder die bewährte und einzige kosteneffiziente Methode zur Beseitigung von Kohlendioxid in dem Umfang, der zur Erreichung unserer globalen Emissionsziele erforderlich ist.

Minnick: Es besteht weltweit ein enormes Potenzial zur Wiederaufforstung von Flächen, die bereits in Acker- oder Weideland umgewandelt wurden. In diesen Gebieten können wir die Art von Bäumen hinzufügen, die sowohl dazu beitragen, mehr Kohlendioxid aus der Luft zu ziehen, als auch diese Landschaften für die dort lebenden Menschen widerstandsfähiger gegen den Klimawandel zu machen. Die Wiederaufforstung in Naturwäldern oder Agroforstsystemen spielt eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Klimawandel.

Erklären Sie uns, wie Sie zu diesem Zweck vorgehen.

Alexandre: Wir konzentrieren uns auf beeinträchtigte Gebiete in unmittelbarer Nähe von blühenden Wäldern. Es wird immer eine natürliche Verbreitung von Saatgut geben, das aus einem gesunden Wald stammt, wegen der Vögel und der Bestäuber, die dort leben. Dann kann man die Gebiete schützen, die langsam von selbst nachwachsen, und den kostspieligeren Aufwand vermeiden, der damit verbunden ist, dass man hineingehen und Samen für Samen pflanzen muss.

Minnick: Beginnen Sie mit der Frage: Welchen Herausforderungen sehen sich die örtlichen Gemeinschaften gegenüber und was wünschen sie sich? Das allgemeine Verständnis – ganz gleich ob es darum geht, Lebensraum für Wildtiere zurückzubringen, Kohlendioxid zu binden, die Ernährungssicherheit zu verbessern oder Einkommensquellen zu diversifizieren –, wird das Vorgehen bestimmen.

Im kenianischen Makueni County, nicht allzu weit außerhalb von Nairobi, bauen die Bauern zum Beispiel Mangobäume und Zitrusfrüchte als zusätzliche Einkommensquelle an. Makueni liegt im Trockengürtel Kenias und erlebt häufig Dürren, die wichtige Nutzpflanzen wie Mais vernichten. Bäume sind widerstandsfähiger gegen diese Dürreperioden, gedeihen weiterhin und produzieren Früchte, die die Bauern auf dem Markt verkaufen können. Eine kürzlich errichtete Verarbeitungsanlage für Mangos hat den Bauern ermöglicht, die Früchte als Fruchtfleisch zu einem höheren Wert an Märkte in der Europäischen Union zu verkaufen. Jeder einzelne Landwirt wurde ermutigt, Mangobäume zu pflanzen. Selbst in Dürreperioden sieht man eine durchgehende grüne Krone, wenn man durch die Landschaft fährt.

Wirtschaftliche Anreize können eine große Rolle bei der Verhaltensänderung spielen. Wenn man genügend Käufer von Waren dazu bringen kann, eine Prämie für Feldfrüchte oder Produkte zu zahlen, die aus wiederhergestellten Landschaften stammen, dann ist das ein ziemlich deutliches Signal an die Bauern oder Landbesitzer. Der einzige Weg, wie wir den Klimawandel verlangsamen können, ist eine Ausweitung unserer Anstrengungen und die Einbindung jeder einzelnen Person, die bereit und in der Lage ist, uns zu helfen.